BG8-122 Rabih Alameddine: Der Engel der Geschichte

Jacob wuchs als uneheliches Kind mit seiner Mutter in einem Bordell in Kairo auf. Erst als Pubertierender wird er von der reuigen Familie seines Vaters nach Beirut geholt, die seine islamisch geprägte Kinderwelt durch katholischen Aberglauben ersetzt. Als im Libanon der Bürgerkrieg ausbrach wird Jacob ins Ausland geschickt – in Kalifornien lebte er schließlich, hier fand er seinen Lebensgefährten und war als schwuler Lyriker erfolgreich. Jacobs Lebensgeschichte wird in einer langen Nacht aufgerollt: Jacob will sich für einige Tage in psychiatrische Behandlung einweisen, während der Aufnahmeformalitäten in der Klinik erinnert er sich an sein Leben, von dem er am liebsten einen Großteil verdrängen möchte. Zur gleichen Zeit beratschlagen in seiner Wohnung Tod und Satan darüber, wie Jacob zu helfen sei, denn er ist ihr Schützling – schon immer gewesen. Auch die 14 Nothelfer (allen voran deren Grande Dame, Katharina von Alexandria, die mehr an Dalida als an eine Heilige erinnert) waren immer bestrebt, Jacob beizustehen, weshalb sie sämtlich zum Interview vor den beiden Altmeistern des Schicksals erscheinen. Schon gleich am Anfang, wenn Humperdincks klassisch-kitschiger Abendsegen zur schwulen Orgie uminterpretiert wird, wird klar, dass es bei dieser Mischung aus Motiven des Hiob-Prologs und faustischen Pakts um eine ebenso schwule wie campe Neuordnung von Traditionen, von Welt- und Menschenbild geht. Ein literarisches Meisterstück in einer beeindruckend eleganten Sprache, die immer die Balance zwischen bitterem Sarkasmus und zartem Witz hält, schwule Weltaneignung vom Feinsten.

Rabih Alameddine: Der Engel der Geschichte, Dt. v. Joachim Bartholomae. D 2018, 250 S., geb.

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